Die 72er-Regel: Stärken und Schwächen

72er-Regel
Wie lange dauert es, bis aus einem Euro zwei werden? Einen sehr guten Richtwert gibt die 72er-Regel.

 

Wie schnell verdoppelt sich mein Geld an der Börse? Das kann man relativ schnell und relativ genau schätzen. Überlegene mathematische Fähigkeiten braucht man dazu nicht. Eine kleine Denkhilfe reicht völlig aus. 

Die Rede ist von der 72er-Regel. Diese hilft einem dabei, schnell auszurechnen, wie lange es dauert, bis sich ein bestimmter Betrag bei einer bestimmten Rendite verdoppelt.

Doch warum sollte man das überhaupt wissen wollen? Ist das nicht völlig praxisfern? Nein, ist es nicht.

 

Geld: Zwei Alternativen

Erst kürzlich hat mich eine Bekannte gefragt, was sie mit dem Geld aus einem auslaufenden Bausparvertrag machen soll. Wie sich im Laufe des Gesprächs herausgestellt hat, gibt es angesichts der galoppierenden Inflation aktuell nur zwei wirklich attraktive Möglichkeiten.

 

  1. das Geld ausgeben (kurzfristiger Horizont)
  2. das Geld renditeträchtig veranlagen (langfristiger Horizont)

 

Nachdem das Geld meiner Bekannten nicht etwa für sie selbst, sondern für ihren sechsjährigen Sohn vorgesehen ist, hatte sich die Option mit dem Geld ausgeben schnell erledigt.

Wir landeten folgerichtig beim renditeträchtigen Veranlagen. Und damit bei Aktien bzw. ETFs. Welche Rendite man sich in etwa erwarten darf, haben wir bereits in einem älteren Blogbeitrag geklärt.

 

Stärken und Schwächen der 72er Regel

Es soll in diesem Beitrag aber gar nicht darum gehen, ob Aktien (bzw. ETFs) langfristig das richtige Investment sind (das sind sie). Worauf ich eigentlich hinaus will: Ich wurde von meiner Bekannten gefragt, was denn am Ende (auf Sicht von rund 15 Jahren, wenn der Junge 21 Jahre alt ist) aus dem Geld geworden sein wird. Konkret lautete die Frage:

 

Was kommt denn am Ende dabei raus?

 

Und wenn man so eine Frage gestellt bekommt ist es natürlich praktisch, wenn man eine Zahl nennen kann.

Nachdem wir geklärt hatten, dass die Wahrscheinlichkeit einen (Buch-)Verlust zu erleiden, bei vernünftigen Veranlagungen mit zunehmender Veranlagungsdauer immer weiter sinkt, sind wir zu einer Zahl gekommen. Und dabei habe ich zur 72er-Regel gegriffen.

Mit dieser kann man – wie eingangs erwähnt – sehr schnell berechnen, wie lange es dauert, bis sich ein Investment bei einer bestimmten Rendite im Wert verdoppelt hat.

Ein Beispiel. Wenn die Rendite bei 7,2 Prozent pro Jahr liegt, dann verdoppelt sich das eigene Geld innerhalb von 10 Jahren. Denn 72 geteilt durch 7,2 entspricht genau 10.

 

Schauen wir uns kurz an, wie lange es entsprechend der 72er Regel bei bestimmten Renditen dauern würde, dass sich das Kapital verdoppelt.

 

Rendite Dauer bis zur Verdoppelung

1 Prozent72 Jahre

2 Prozent36 Jahre

3 Prozent24 Jahre

4 Prozent18 Jahre

5 Prozent14,4 Jahre

6 Prozent12 Jahre

7 Prozent10,2 Jahre

8 Prozent9 Jahre

9 Prozent8 Jahre

10 Prozent7,2 Jahre

15 Prozent4,8 Jahre

20 Prozent3,6 Jahre

36 Prozent2 Jahre

 

Eine kleine Anmerkung noch:

Je höher die Rendite (also der Prozentsatz) ist, desto schlechter funktioniert die 72-er Regel. Bis rund 10 Prozent Rendite pro Jahr funktioniert die 72er-Regel aber ausgesprochen gut.

 

Was wird aus 5.000 Euro?

Kommen wir zurück zu meiner Bekannten. Und sagen wir, sie hätte nun 5.000 Euro aus ihrem alten Bausparvertrag erhalten. Was darf sie denn finanziell nun nach 15 Jahren erwarten?

Meine schnelle Antwort lautete: Vermutlich rund das Dreifache, also 15.000 Euro. Doch wie bin ich zu dieser Zahl gekommen? Das will ich gerne erklären:

 

  1. Ich bin davon ausgegangen, dass sich das Kapital alle 10 Jahre verdoppelt.
  2. Nach 10 Jahren landen wir bei 10.000 Euro.
  3. Nach 20 Jahren landen wir bei 20.000 Euro.
  4. Nach 15 Jahren landen wir ungefähr in der Mitte: Nämlich bei rund 15.000 Euro.

 

Ich will ausführen, wie ich zu diesen Werten komme.

 

  1. Wie bereits verlinkt, ist es durchaus legitim, mit 7,2 Prozent Rendite pro Jahr rechnen zu dürfen. Bei 7,2 Prozent Rendite pro Jahr, errechnet sich laut 72-er Regel ein Verdoppelungszeitraum von 10 Jahren (72 geteilt durch 7,2 = 10 Jahre).
  2. Entsprechend lautet die Rechnung: 5.000 Euro mal 2 = 10.000 Euro
  3. Entsprechend lautet die Rechnung: 10.000 Euro mal 2 = 20.000 Euro
  4. Da es um 15 Jahre Laufzeit geht, habe ich einfach den Mittelwert zwischen 10.000 Euro und 20.000 Euro gewählt.

 

Ist das mathematisch völlig korrekt? Nein. Ist es für eine Schätzung ausreichend? Na klar.

Der Vollständigkeit halber wollen wir das Ganze jetzt aber auch noch händisch nachrechnen.

5.000 Euro zu exakt 7,2 Prozent für genau 15 Jahre verlangt ergeben 14.187,04 Euro. Das sind zwar um über 800 Euro weniger, als von mir ausgespuckt. (das kann man hier übrigens hervorragend überprüfen).

Für eine Schätzung, reicht es trotzdem locker aus. Denn:

 

Es handelt sich bei der Berechnung trotz exakter Parameter (zu Rendite, Laufzeit und Startbetrag) ohnehin nur um eine “Schein-Genauigkeit”. 

 

Was meine ich damit? Das Ergebnis hängt sehr stark davon ab, wie lange das Geld wirklich veranlagt ist oder wie hoch die Rendite am Ende tatsächlich ausfällt. Liegt die durchschnittliche Rendite nämlich nur 0,4 Prozentpunkte (also bei 7,6 Prozent pro Jahr) höher, legen wir eine Punktlandung hin. Ergebnis: 15.002,17 Euro.

Oder aber man lässt das Geld rund 9 Monate (15,8 Jahre statt 15 Jahre) länger liegen. Dann erhält man mit 7,2 Prozent Rendite exakt 15.004,21 Euro.

 

Und natürlich – man kann es nicht oft genug betonen. Die 7,2 Prozent sind lediglich eine Richtgröße. Wie die Realität schließlich aussehen wird, kann man niemals mit völliger Gewissheit voraussehen.

 

Fazit

Ich liebe die 72er-Regel. Nicht nur, weil ich seit Kindestagen eine Faible fürs Kopfrechnen habe. Sondern weil sie uns einen Workaround für exponentielles Wachstum gibt. Dafür ist unser Hirn nämlich nicht ausgelegt. Wir denken stets linear. Zumindest intuitiv.

Oder hättest du etwa geglaubt, dass 12.304,24 Euro für 65 Jahre mit 7 Prozent pro Jahr angelegt am Ende mehr als eine Million Euro ergeben? Vermutlich nicht. Die genaue Rechnung dazu findest du in diesem Blog-Eintrag, wo es um Geschenke zur Geburt geht.

Zum Abschluss noch eine kleine Buchempfehlung zum Thema Denkfehler: Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahneman. 

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