Robert Kiyosaki ist Bestseller-Autor. Und er ist stolz darauf. Zurecht. Denn mehr als 26 Millionen Bücher hat er bereits an den Mann und die Frau gebracht. Alleine im deutschsprachigen Raum kommen jährlich rund 100.000 verkaufte Exemplare dazu. Trotz seiner großen Erfolge ist der Hawaiianer umstritten. Und das nicht nur wegen seines Näheverhältnisses zu Donald Trump.
Wie oft ich Rich Dad, Poor Dad im Laufe der letzten rund 15 Jahre gelesen oder gehört habe, weiß ich nicht. Mindestens acht Mal. An das letzte Mal kann ich mich aber erinnern. Es geschah unmittelbar, bevor ich diese Buchbesprechung zu schreiben begonnen habe.
Ebenfalls im Vorfeld zu diesem Artikel, habe ich mich mit dem Thema beschäftigt, ob es für eine Institution der Finanzliteratur wie Rich Dad, Poor Dad überhaupt noch eine weitere Buchbesprechung braucht. Die Antwort lautet JA.
Das notwendige Aha-Erlebnis
Seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten bin ich im Bereich des Finanzjournalismus tätig. Wer diesen Blog verfolgt, weiß, dass ich ein fleißiger Leser bin (letztes Jahr waren es 107 Sachbücher, in diesem Jahr stehen wir (Mitte Juni) bei 48 (wobei ich Rich Dad, Poor Dad insgesamt vier mal gehört, aber natürlich nur ein mal gezählt habe). Mein Anspruch an Finanzbücher ist dementsprechend hoch. Ein richtig positives Fazit gibt es nur, wenn der Autor oder die Autorin bei seiner Leserschaft ein nachhaltiges Aha-Erlebnis auslösen kann.
Genau das ist auch der Grund, warum Rich Dad, Poor Dad für mich zu den besten Finanzbüchern aller Zeiten gehört. Jedem, der sich dem Thema Finanzen nähern möchte, ist dieses Buch zu empfehlen. Und das trotz seiner (teils massiven) Schwächen, die ich nicht leugnen will – und auf die wir in weiterer Folge noch genau eingehen werden.
Der Inhalt in wenigen Sätzen
Bevor wir uns den für europäische Leser relevanten Inhalten des Buchs widmen werden, möchte ich den Inhalt in extrem verkürzter Form zusammenfassen. Robert Kiyosaki schreibt in seinem Buch – wie der Name schon suggeriert – über seinen reichen und seinen armen Vater.
Sein armer Vater war sein leiblicher Vater. Ein hochgebildeter Mann, der es jedoch nicht zu Reichtum brachte weil er der hedonistischen Tretmühle nicht entkommen konnte.
Sein reicher Vater war wiederum der Vater seines Jugendfreundes Mike. Sein “Rich Dad” war ein Mann ohne formale Schulbildung, doch mit einem ausgeprägten Verständnis für Unternehmertum und den Umgang mit Geld.
Soviel zur Rahmenhandlung, die auf den ersten Seiten des Buchs erläutert wird. In den letzten beiden Dritteln des Buchs geht es dann darum, auf welche Weise der namenlose reiche Vater von Kiyosaki den beiden 9-jährigen Buben Robert und Mike beibrachte, ein Vermögen aufzubauen.
Ist Kiyosaki ein Lügner?
Eine der Stärken dieses Buches ist gewiss, dass der Autor es versteht, die unterschiedlichen Zugänge seiner Väter in Geldfragen sehr anschaulich zu beschreiben. Der Umstand, dass er zwei verschiedene Väter hatte, wirkt fast schon zu gut, um wahr zu sein.
Und womöglich ist es auch gar nicht wahr. Kiyosaki hat niemals den Namen seines reichen Vaters genannt. Auch ist es diversen Journalisten nicht gelungen zweifelsfrei zu belegen, wer nun der titelgebende “Rich Dad” ist.
Dieser Umstand lässt einen schon einigermaßen zweifelnd zurück. Wenn Kiyosaki sich seinen reichen Vater nur ausgedacht hat, wie soll man ihm denn dann in weiterer Folge vertrauen, wenn es um sämtliche anderen Inhalte geht? Das ist ein berechtigte und gute Frage. Ich wüsste nicht, wie ich sie beantworten würde, hätte ich das Buch noch nie gelesen.
Heiligt der Zweck die Mittel?
Das Ziel von Schreibern im Allgemeinen und Finanz-Autoren im Speziellen liegt darin, komplexe Inhalte auf verständliche Weise zu präsentieren. Das hört sich viel einfacher an, als es in Wirklichkeit ist. Denn dazu braucht es ein sehr tiefes Verständnis der Materie, die man präsentieren möchte.
Und hier hat Rich Dad, Poor Dad sicherlich seine größten Stärken. Es ist ein Buch, dessen inhalt wirklich jeder verstehen kann. Kiyosaki erklärt durchaus komplexe Themen wie Wirtschaft, Unternehmertum, Investments oder Cashflows in leicht verständlicher Sprache.
Der Autor wählt dabei fast durchgehend das Stilmittel der Anekdote. Ob diese nun auf tatsächliche Ereignisse oder doch eher auf Kiyosakis Phantasie zurückzuführen sind, kann ich nicht abschließend beurteilen. Die Frage, ob der Zweck (Finanzbildung für alle) die Mittel (womöglich erfundener reicher Vater) heiligt, muss jeder für sich selbst beantworten.
Ich persönlich muss gestehen: Ich war zum Zeitpunkt als ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, in meinen frühen 20ern. Ich habe eigentlich nie hinterfragt, ob es den reichen Vater überhaupt gegeben hat. Das war für mich nämlich nebensächlich. Mir waren in diesem Buch schon vom ersten Lesen weg eher sämtliche Infos bezüglich Immobiliengeschäften und Steuernsparen ein Dorn im Auge. Schließlich wirkte mir das alles viel zu “USA-lastig”, wenn man es verkürzt zusammenfassen will.
Doch es gab auch sehr viel Positives mitzunehmen. Darauf will ich nun eingehen.
Geniales Konzept
Wenn ich die eine Sache benennen müsste, die Rich Dad, Poor Dad so einmalig macht, dann ist es gewiss ein spezielles Konzept: Nämlich den Unterschied zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten identifizieren zu können. Ich fasse hier gerne zusammen, worum es dabei geht.
Vermögenswerte sind all jene Dinge, die einen Geldfluss (Cashflow) ZU einem bewirken. Verbindlichkeiten sind wiederum all jene Dinge, die einen Geldfluss VON einem weg zur Folge haben. Das klingt zunächst logisch. Doch wenn man es streng auslegt (was Kiyosaki tut), führt es auch zu folgendem hochbrisanten Beispiel:
Das abbezahlte Eigenheim als Verbindlichkeit
Die meisten Menschen gehen davon aus, dass das eigene Haus einen Vermögenswert darstellt. Insbesondere dann, wenn es abbezahlt ist. Im Konzept von Kiyosaki ist das allerdings nicht der Fall. Wenn mein seiner Logik folgt, ist das auch richtig so. Denn selbst eine selbstbewohnte, abbezahlte Immobilie verursacht Kosten (Steuern, Abgaben, Reparaturen etc.).
Eine abbezahlte Immobilie kann jedoch durchaus auch einen Vermögenswert darstellen. Nämlich dann, wenn sie zu einem positiven Cashflow führt. Das heißt, sobald Miete hereinkommt.
Diese Unterscheidung ist für den weiteren Verlauf des Buches elementar. Denn im Grunde bauen sämtliche vermittelte Inhalte darauf auf.
Geld arbeiten lassen
Schon früh im Buch erfahren wir vom reichen Vater (der tatsächlich auch IM Buch stets namenlos bleibt), dass er nicht FÜR Geld arbeitet. Vielmehr lässt er sein Geld FÜR SICH arbeiten. Wie das gehen soll? Ganz einfach: Indem man Vermögenswerte schafft.
Die Message ist eindeutig: Nämlich dass wohlhabende Menschen – also Personen, die so sind wie der reiche Vater – stets auf eine Art und Weise investieren, die ihnen Cashflow bringt.
Um zu veranschaulichen, dass man nicht für Geld arbeiten sollte, sondern Geld für einen arbeiten sollte, stellt der reiche Vater die beiden neunjährigen Jungs Robert und Mike in einem seiner Gemischtwarenläden an. Die Bezahlung ist dabei absolut minimal. Nämlich 10 Cent pro Stunde, was selbst nach den Maßstäben von 1956 sehr bescheiden war.
In weiterer Folge – der junge Kiyosaki ist unzufrieden mit seinem Gehalt und begehrt entsprechend auf – streicht der reiche Vater den Lohn der beiden Jungs noch weiter zusammen. Und zwar auf null. Trotzdem arbeiten die beiden weiter – und verdienen sich schon bald eine goldene Nase.
Augen auf – das Geld liegt auf der Straße!
Was folgt ist eine Lektion in Unternehmertum. Dies ist sicher eine der weiteren Stärken von Rich Dad, Poor Dad. Gerade für europäische Leser. Denn während viele US-Amerikaner einen sehr unternehmerischen Zugang auf die Dinge haben, ist das in unseren Gefilden tendenziell nicht der Fall.
Entsprechend der Anekdoten von Kiyosaki haben die Jungs am Ende eines harten unbezahlten Arbeitstages mitbekommen, dass ein Vertreter alle nicht verkauften Comics wieder abgeholt hat. Dabei wurde jedoch der Einband zerschnitten. Dies hatte zur Folge, dass die zurückbleibenden Comics unverkäuflich wurden.
Die beiden Jungs fragten den Vertreter, ob sie die Comics ohne Einband behalten dürften. Durften sie! Unter der Bedingung, die sie sie nicht weiterverkaufen würden. Die beiden hielten sich an die Abmachung. Und heckten dennoch eine gewinnbringende Idee aus.
Die Vorläufer von Netflix
Wenn man so will, hat Kiyosaki schon in den 50er Jahren das Potenzial von Abo-Modellen erkannt. Laut seiner Erzählung nahmen Mike und er nämlich sämtliche Comics mit nach Hause und richteten im Keller von Rich Dad einen Raum ein, wo sämtliche Werke zur Lektüre bereitlagen.
Gegen einen Eintritt von 10 Cents war Besuchern erlaubt, eine Stunde lang sämtliche Comics der Bibliothek zu lesen. Für die Leser war das ein gutes Geschäft. Denn für diesen kleinen Betrag hätten sie niemals alle Comics erhalten (tatsächlich lag der Preis PRO Comic damals bei 10 Cent). Und für die beiden Jungs war es ein gutes Geschäft, weil sie ein und denselben Comic (der noch dazu unverkäuflich war) mehrfach “vermieten” konnten.
Auf diese Weise verdienten sich die beiden Jungs mehr als Rich Dad ihnen jemals hätte zahlen können. Vorerst zumindest. Denn nach einiger Zeit kam es im Keller zu einer Schlägerei zwischen den Gästen, was die Eltern von Mike dazu veranlasste das Lokal dauerhaft zu schließen.
Das war jedoch kein Problem. Denn der Unternehmergeist war bei den beiden geweckt.
Kaum nachzumachen
Einen großen Teil des Buchs nehmen die Nachherzählungen des Autors in Bezug auf seine Immobiliengeschäfte ein. Wie könnte es anders sein, liest sich das Ganze wie eine einzige Erfolgsgeschichte. Selbst Rückschläge wurden stets in Siege verwandelt.
Nun finde ich es zwar legitim, dass man sich als Autor gerne in ein gutes Licht stellen will. Dennoch sind es gerade die Anekdoten über die teils abenteuerlichen Immobiliendeals, die für mich zu den am wenigsten interessanten Passagen von Rich Dad, Poor Dad gehören.
Der US-amerikanische Immobilienmarkt funktioniert anders, als jener im deutschsprachigen Raum. Ohne hier auf Details einzugehen:
Es ist schlicht unrealistisch dermaßen viele Super-Mega-Ultra-Schnäppchen in Folge zu machen.
Das heißt nicht, dass ich Kiyosaki nicht glaube, dass er es sehr wohl geschafft hat. Es geht vielmehr darum, dass die vorgestellten Rezepte gerade für Europäer nicht so einfach nachzumachen sind.
Deshalb halte ich die Immobilien-Passagen auch für jene, mit dem geringsten Mehrwert für alle Leser. Ich schreibe bewusst nicht von “keinem Mehrwert” weil es durchaus interessante Ansätze gibt.
Steuern Sparen wie Robert Kiyosaki
Der Autor geht geradezu prahlerisch mit der Tatsache um, dass er sehr wenige Steuern bezahlt. Unabhängig davon, dass dies gesellschaftspolitisch ein sehr sensibles Thema ist, ist auch die Steuergesetzgebung von Land zu Land extrem unterschiedlich. Dennoch kann man hier etwas mitnehmen.
Um Steuern zu sparen, erzählt Kiyosaki immer wieder davon, dass er die Erträge aus einem Immobiliengeschäft sehr zeitnah in das nächste Immobiliengeschäft investiert. Damit bleiben seine Erträge steuerfrei. Zwar kann man diesen Ansatz im engeren Sinne nicht unbedingt auf Europa anwenden.
Sehr wohl kann man aber die Grundidee dahinter verinnerlichen. Nämlich Erträge gleich wieder zu reinvestieren. So können Erträge weitere Erträge schaffen. Und voilà: Wir sind beim Zinseszins angelangt. Dieses Konzept ist von unschätzbaren Wert, wenn es darum geht kompetent mit Geld umzugehen.
Fazit
Gab es den reichen Vater nun wirklich oder ist er bloß eine Erfindung? Ist Robert Kiyosaki vielleicht selbst der reiche Vater? Ich weiß es nicht. Und auch wenn es mich persönlich brennend interessieren würde, was nun wirklich Sache ist, muss ich trotzdem feststellen: Es ist vermutlich egal.
Denn die vermittelten Lektionen sind den Buchkauf allemal wert. Deshalb bleibt Rich Dad, Poor Dad auch mit Sicherheit auf meiner Top 5 Bücherliste für Anfänger.
Ja, die mangelnde Transparenz bezüglich des Rich Dad bleibt mir ein Dorn im Auge. Demgegenüber stehen jedoch eine Menge wertvoller Lektionen, die ich hier zum Abschluss noch einmal auszugsweise anführen will.
Gute Gründe Rich Dad, Poor Dad zu lesen
Robert Kiyosaki fasst anschaulich zusammen, dass Menschen oft hin- und hergerissen sind. Schließlich sind die Resultate, die man finanziell erzielt, sehr oft das Ergebnis der eigenen Überzeugungen zum Thema Geld. Bei Kiyosaki sind es nicht zwei Herzen, die in einer Brust schlagen – sondern eben zwei Väter, die unterschiedliche Aussagen treffen. Ein Beispiel:
Poor Dad: Die Liebe zum Geld ist die Wurzel allen Übels
Rich Dad: Der Mangel an Geld ist die Wurzel allen Übels
Außerdem stellt der Autor klar, dass Finanzbildung zu Hause stattfindet. Kiyosaki fasst es sinngemäß folgendermaßen zusammen:
Der Umgang mit Geld wird zu Hause und nicht in der Schule unterrichtet. Die meisten lernen es von ihren Eltern. Was aber können arme Eltern ihren Kindern über Geld beibringen?
Eine berechtigte Frage. Vermutlich nicht besonders viel. Aus diesem Grund weichen viele Eltern Geldgesprächen lieber aus. Sie sagen ihren Kindern lediglich: Lerne fleißig und mache die Schule fertig.
Grundsätzlich ein guter Rat. Doch die Sache hat laut Kiyosaki einen entscheidenden Haken: Kinder schließen die Schule womöglich mit Auszeichnung ab. Jedoch mit finanzieller Prägung und geistiger Einstellung eines armen Menschen.
Abschließend will ich noch auf eine einprägsame Passage eingehen. Sie ist – wie so oft – eine Anekdote an Gespräche mit seinen beiden Vätern.
Während der arme Vater sagte: Das kann ich mir nicht leisten. Und damit eine Aussage traf. Fragte der reiche Vater: Wie kann ich mir das leisten? Während einen die Aussage (das kann ich mir nicht leisten) Menschen aus der Verantwortung entlässt, zwingt einen die Frage (wie kann ich mir das leisten?) zum Nachdenken.
Ein wunderbares Schlusswort für ein wunderbares Buch. Trotz all seiner Schwächen.
PS: Wer ein Buch ohne Schwächen sucht, der wird bei dieser Buchbesprechung fündig.
Eines der wichtigsten Bücher auf dem Markt. Hat mir damals die Augen geöffnet und würde es immer wieder empfehlen.
Ja, das sehe ich genauso!
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