Gute finanzielle Entscheidungen zu treffen, mag einfach sein. Leicht ist es aber nicht. Denn dauerhaft nichts zu tun, ist insbesondere für Anfänger eine echte Herausforderung. Doch wie so oft zeigt sich: Reden hilft.
Vor wenigen Tagen hat mein Telefon geklingelt. Da ich gerade in einem Termin war, konnte ich leider nicht abheben. Mein Telefon zeigte mir, dass es sich um einen guten Freund gehandelt hat. Wäre es extrem wichtig gewesen, hätte er mir eine Nachricht (keine Sprachnachricht!) hinterlassen. Er kennt mich mittlerweile.
Zwei Tage später haben wir das Telefonat dann nachgeholt. Es war ein wichtiges Telefonat. Denn es ging um Geld. Konkret: um Investments.
Gut aufgestellt, aber…
Nun bin ich über die Investments meines guten Kumpels gut informiert. Er ist bestens aufgestellt. Schließlich investiert er zu niedrigen Kosten und breit gestreut (Länder, Branchen, Währungen) in hunderte Unternehmen auf dem ganzen Planeten. Und das Ganze auch noch per Sparplan auf monatlicher Basis.
Alles paletti könnte man meinen. Wo liegt dann das Problem?
Das Problem liegt im Kopf. Schließlich hat mein Freund seine (Investment-)Wahl nicht einfach so getroffen. Dem ganzen gingen stundenlange Diskussionen voraus. Am Ende war er überzeugt. Zumindest vorerst.
Denn schön langsam kommen ihm Zweifel.
Brotlose Jahre
Ende 2017 hat mein Freund mit dem Investieren per Sparplan begonnen. Mit einem Betrag, den er sich leisten kann und den er entbehren kann. Eine Reihe guter und richtiger Entscheidungen, wie man meinen könnte. Schließlich ist das Investieren langfristig ja eine lohnende Angelegenheit (die man sich problemlos leisten können muss). Die Betonung liegt auf langfristig.
Und dennoch: Irgendwann will man gerade als Neuling eine Bestätigung dafür, dass man eine Entscheidung getroffen hat, vor der sich (noch) allzu viele Menschen drücken.
Nun waren die letzten knapp drei Jahre nicht gerade sehr ergiebig. Ging es mal abwärts, waren diese Verluste schnell wieder aufgeholt. Für Sparplan-Sparer ist das nicht unbedingt ideal (alles zum Thema Sparplan hier nachzulesen). Für den Kopf allerdings wiederum ganz angenehm. Verloren hat man mit dem richtigen Portfolio in den letzten Jahren zwar nichts, gewonnen aber auch nicht wirklich.
Der erfahrene Anleger weiß: Alles nicht ungewöhnlich für einen so überschaubaren Zeitrahmen. Trotzdem: Eine Entwicklung, die einen frohlocken lässt, sieht anders aus. Auch das weiß der erfahrene Anleger.
Raus mit der Sprache
Entsprechend hat sich unser Gespräch in den ersten Minuten um die überschaubare Performance seiner Investments gedreht. Doch da war noch mehr. Das wusste ich, ich musste es nur herauskitzeln. Na klar, eigentlich wollte mein Freund (auch) über Corona sprechen.
Wir haben in weiterer Folge darüber debattiert, welche Folgen es haben könnte, sollte es in diversen Ländern dieser Welt zu erneuten Lock-Down Maßnahmen kommen.
Und dann kam schließlich die magische Frage:
Soll ich jetzt alles verkaufen und später zu einem günstigeren Zeitpunkt wieder einsteigen?
Meine Antwort war ein klares Nein. Denn was sich in der Theorie so einfach anhört, ist in der Praxis so gut wie nicht umsetzbar.
Mut zum Nein
Zum einen weiß man nämlich niemals mit Gewissheit, welche politischen Maßnahmen welche Folgen an der Börse haben werden. Auch weiß man nicht, ob gerade ein guter Zeitpunkt zum Verkaufen ist. Ebenso wenig weiß man, wann ein guter Zeitpunkt für den Wiedereinstieg ist. Und selbst wenn man einen Rückgang voraussagen und auch noch gut timen könnte (was man nicht kann), stellt sich immer noch die Frage, ob man diese Strategie mit einer Summe durchführen kann, die wirklich etwas bewirkt. Damit meine ich, ob man seine finanziellen Ziele dann substantiell früher erreichen kann.
Wir haben in weiterer Folge festgestellt, dass es nach Beantwortung all dieser Fragen (mit Nein) keinen Sinn macht, alles zu verkaufen und danach wieder einzusteigen. Und dabei hatten wir noch nicht einmal über die dadurch anfallenden (Transaktions-)Kosten gesprochen.
Die Moral von der Geschichte
Viele Menschen haben in den letzten Jahren begonnen vernünftig zu sparen. Also auf einen Sparplan statt ein Sparbuch zu setzen. So richtig belohnt wurden sie für ihre gute Entscheidung bisher noch nicht. Da ist es nur allzu verständlich, dass langsam Ungeduld einkehrt. Vor allem da sich in den letzten Monaten aufgrund der Covid 19-Krise und all ihrer unangenehmen Nebengeräusche bei vielen ein Gefühl der allgemeinen Unzufriedenheit und Verunsicherung breit macht.
Sucht euch einen Mentor in finanziellen Angelegenheiten
Mein Tipp: Sucht euch einen Mentor in finanziellen Angelegenheiten. Sucht jemanden, der Situationen wie die aktuelle (nicht Covid 19, sondern schlicht dass es über einen längeren Zeitraum an den Börsen nicht so berauschend läuft) schon mehrfach erlebt hat. Am besten jemanden, der selbst im Crash locker bleibt (einfach fragen, was der Mentor in diesem März so gemacht hat).
Dass man solche Personen nicht einfach im Telefonbuch findet, ist klar. Aber es gibt heute ganz tolle Online-Communities (bei Bloggern oder auch auf Facebook bzw. in deren Gruppen). Dort kann man sich mit seinen Anliegen hinwenden, falls man gerade verunsichert ist. Erfahrungsgemäß wird einem dort auch geholfen.
Achtung, Achtung
Doch wie immer wenn es um Finanzielles geht, ist auch hier Vorsicht geboten. Denn die Anonymität des Internets kann in Verbindung mit Selbstüberschätzung eine explosive Melange ergeben. Also bitte sehr wählerisch sein!
Und wenn alle Stricke reißen, tut es auch ein Leserbrief an mich.