Krisenmodus: Die Parallelen zwischen Sport und Investments

Parallelen
Sport zu betreiben und zu investieren gleicht sich in vielen Aspekten.

 

Egal ob im Sport oder beim Investieren. Viele Amateure haben ein falsches Bild davon, wie man die besten Resultate erzielt. Intensität wird überschätzt, Ausdauer hingegen unterschätzt.

Schon lange wollte ich einen Artikel über die Gemeinsamkeiten von Sport und Investments schreiben. Mir fehlte irgendwie bloß stets der richtige Anlass. Diesen habe ich angesichts der anhaltenden Marktturbulenzen nun gefunden. Dieser hochinteressante Artikel von Finanzjournalist Morgan Housel gab mir dann auch noch die Inspiration für den passenden Einstieg.

 

No pain, no gain

Kommen wir gleich zum Thema. Wo liegen sie denn, die Gemeinsamkeiten von Sport und Investments? Richten wir das Augenmerk zunächst auf den Sport. Oder besser gesagt: auf die Sportlerinnen und Sportler. Ein großer Unterschied zwischen Profis und Amateuren liegt in der Wahl der Intensität ihrer Trainings.

Hobbyathleten vertrauen oftmals ihrer Intuition. Und gehen entsprehcend folgendermaßen an das Training heran: so hart ranklotzen wie möglich, die eigenen Limits ausloten, das Potenzial ausschöpfen, sich selbst so lange zu schleifen bis man schließlich bricht. Kurz: No pain, no gain.

 

No Pain, No Gain
Man kann es immer übertreiben

 

Der Trainingsalltag von professionellen Athleten sieht – zumindest wenn sie einen guten Coach haben – ganz anders aus. Nämlich deutlich entspannter.

Das belegen die Zahlen einer Forschergruppe, die einen genauen Blick auf die Trainingsgestaltung von olympischen Langläufern geworfen haben. In Österreich, Deutschland und der Schweiz, wo fast alle meine Leserinnen und Leser herkommen, brauche ich nicht extra zu betonen, dass es sich hierbei völlig unbestreitbar um absolute Spitzenathleten handelt. Doch zurück zu den Ergebnissen der Forschergruppe.

Pro Jahr trainierten die untersuchten Athleten im Schnitt 861 Stunden. Also einige Stunden pro Tag. Nun ist Trainingsstunde aber nicht gleich Trainingsstunde. Und so wurden diese in drei Kategorien eingeteilt.

 

Hohe Intensität (mehr als 87 Prozent der maximalen Pulsrate)

Mittlere Intensität (82 bis 87 Prozent der maximalen Pulsrate)

Niedrige Intensität (60 bis 82 Prozent der maximalen Pulsrate)

 

Wer sich darunter nichts vorstellen kann. Bei “niedriger Intensität” kann man sich (womöglich) noch unterhalten. Bei “mittlerer Intensität” muss man hingegen bereits sehr stark atmen. Bei hoher sportlicher Intensität ist man nicht nur leistungs- sondern auch atemtechnisch so ziemlich am Limit angelangt.

Doch wie sah nun die Aufteilung der Trainingsstunden aus? Achtung, es folgt ein Aha-Moment:

 

88,7 Prozent der Trainingsstunden wurden mit niedriger Intensität absolviert.

6,4 Prozent waren mittlerer Intensität zuzuordnen.

4,8 Prozent fanden bei hoher Intensität statt.

 

Wie wir sehen können, haben sich die Langläufer die allermeiste Zeit also alles andere als gepusht. Vielmehr sind sie fast ausnahmslos bei lockerer Belastung unterwegs gewesen. 

Ist das überraschend? Ja. Ist das ungewöhnlich? Nein. Denn die Aufteilung ist keine Eigenheit der Sportart Langlauf.

Ganz ähnlich sieht die Aufteilung nämlich auch bei professionellen Läufern, Radfahrern, Ruderern und Schwimmern aus. Erstaunlich, nicht wahr?

 

Das Potenzial wird kaum genutzt. Mit Absicht.

Wir stellen also fest: Die besten Athleten der Welt nutzen einen Hauptteil ihrer Arbeitszeit dafür unterhalb ihres eigenen Potenzials tätig zu sein. An die eigenen Limits gehen? Fehlanzeige. Und das auch noch mit voller Absicht.

Doch Achtung: Im Wettkampf ist dann natürlich Schluss mit der gemütlichen Belastung. In den entsprechenden Rennen wird der allerhöchste Belastungslevel mitunter über eine Stunde lang gehalten.

Im Training jedoch, liegt das bildlich formulierte Ziel darin, aus sich selbst die “bestmögliche athletische Maschine” zu machen. Langlebigkeit wird der Intensität vorgezogen. Der eigene Körper soll stetig das Signal bekommen, sich anzupassen. Und eben nicht das Gefühl haben, gerade gefoltert zu werden. Die Gründe liegen auf der Hand: Sowohl Verletzungen als auch ein mentales Ausbrennen wird durch diese Trainingssteuerung deutlich unwahrscheinlicher.

 

Stephen Seiler, ein hoch renommierter Trainings-Physiologe erklärt es folgendermaßen:

Ausdauer-Athleten trainieren viele Stunden bei niedriger Intensität und können sich dabei erholen. Dadurch ist es ihnen auch möglich dies Tag für Tag zu machen. Genau das führt schließlich zum Erfolg. Um die höchstmöglichen Levels zu erreichen, muss der (Trainings-)Prozess nachhaltig durchführbar sein. In den hochintensiven Trainingsbereichen führen chronische Stresslevels zu Burnout und Stagnation. 

 

Ich wiederhole den besonders interessanten Teil des Zitats: Um die höchstmöglichen Levels zu erreichen, muss der (Trainings-)Prozess nachhaltig durchführbar sein. 

Und klingelt es da nicht bereits? Ist es nicht exakt das, worauf es auch beim guten Investieren ankommt?

 

Die wirklich wichtigste Frage

Die Frage, auf die es beim Investieren wirklich ankommt, ist nicht etwa die folgende: Wie kann ich die höchsten Renditen erzielen?

Was wirklich zählt, ist die folgende Frage: Was sind die besten Renditen, die ich über die längsten Zeiträume erzielen kann?

Der Zinseszins entspricht laut Formel “Renditen potenziert mit der Zeit”. Oder anders ausgedrückt: Den richtig harten Job übernimmt in der Zinseszinsformel der Faktor Zeit. Schaut man sich die ganz großen Vermögen dieser Welt an, dann sind nicht etwa die Renditen deren große Gemeinsamkeit: Es sind Ausdauer und Langlebigkeit.

 

Morgan Housel formuliert es folgendermaßen: 

Exzellente Renditen für ein paar Jahre sind nicht annähernd so mächtig wie ziemlich gute Rendite für eine lange Zeit. Selbst durchschnittliche Renditen für eine sehr lange Zeit sind kaum zu schlagen. 

 

Es ist das größte und gleichzeitig offensichtlichste Geheimnis beim Investieren: Werden durchschnittliche Renditen über einen überdurchschnittlich langen Zeitraum erzielt, führt dies zu wahrer Magie.

Genau das Gegenteil davon sehen wir jedoch in den letzten Wochen und Monaten. Und zwar an den verschiedensten Märkten. Nicht nur bei den Kryptos.

 

Krisenmodus: Der Burnout war unvermeidbar

Die letzten fünf Jahre waren von Investoren geprägt, die von ihrem Weg abgekommen sind. Sie haben jede Möglichkeit genutzt, ihre Renditen zu maximieren und haben dabei jeden Cent aus jeder sich bietenden Chance heraus gequetscht. Und das in hochriskanten Investments, die oftmals noch durch Hebel befeuert wurden.

Warum? Weil die Möglichkeiten überall waren. Alles schien nach oben zu laufen. Jede Anlageform. Monat für Monat.

Das fühlte sich natürlich großartig an. Das tut es immer. 

Doch jetzt sind wir im Krisenmodus. In einer Situation, wo selbst die besten Investoren an genau jenem Punkt angekommen sind, wo Athleten landen, die in jedem Training 110 Prozent geben. Sie sind ausgebrannt

Eine Zeit lang fühlten sie sich wie Champions. Im Laufe der Zeit werden sie jedoch unweigerlich von dem Typen überholt werden, der jeden Tag unterhalb seines Potenzials dahinjoggt, der sein Training durchziehen kann, der seinem Körper die Möglichkeit gibt sich anzupassen und für den nächsten Tag zu regenerieren.

Es gibt zwei Arten von Investment-Burnout. Finanzielles und psychologisches. Das erste bezieht sich auf alle jene, die mit Hebel handeln, auf Margin agieren. Wenn der Markt dreht, ist man schnell raus.

Das zweite Investment-Burnout ist psychologisch. Es ist sehr schwer sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, wenn ein großer Anteil deines Nettovermögens sich innerhalb von nur zwei Wochen geradezu vaporisiert. Viele dieser Investoren werden enden wie Athleten, die mental einbrechen (noch bevor es ihr Körper tut).

 

Wenn der Instinkt täuscht: Fazit

Es ist zugegebenermaßen nicht gerade intuitiv. Aber:

 

Vermutlich wirst du deine Investment-Zugewinne im Laufe deines Lebens maximieren, indem du eben nicht versuchst deine jährlichen Renditen zu maximieren. Stattdessen solltest du dich darauf konzentrieren so lange wie nur irgendwie möglich gute Renditen zu erzielen. 

 

Wie man die Rendite maximiert
Intuitiv ist anders

 

Der in den USA bekannte Finanzberater Carl Richards hat einmal betont, dass ein Haus womöglich das beste Investment ist, das Menschen jemals machen. Und das liegt nicht etwa daran, dass Häuser so gute Renditen erzielen. Das tun sie nämlich nicht! Und nein, es liegt auch nicht am Hebel, also dem Fremdkapital, das man beim Kauf aufnimmt.

Der Erfolgsfaktor auf den Richards sich bezieht, ist die Zeit. Wenn Menschen ein Haus kaufen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie daran für viele Jahre und Jahrzehnte festhalten, höher als bei jedem anderen Investment. In der Tat sind Immobilien sogar die einzigen Vermögenswerte, die von ihren Investoren wirklich die Chance bekommen, die Macht des Zinseszins zu entfalten.

Mit diesen Zeilen kommen wir zum Ende dieses Artikels. Wobei, eine Kleinigkeit noch: 

Dieses Kind hat die Moral von der Geschichte übrigens verstanden. Im Sport und beim Investieren…

 

In der Ruhe liegt dir Kraft
Ausdauer schlägt Intensität

 

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