Geld: Wenn einem die Zukunft Angst macht…

Angst vor der Zukunft
Die Zukunft ist unsicher. Aus Angst wird geplant, geplant und geplant…

 

So manche Menschen trauern der Vergangenheit hinterher. Andere leben ausschließlich im Hier und Jetzt. Und dann gibt es noch diejenigen, die ihr Leben ständig in der Zukunft leben. Eine Zeit, die mehr verspricht. Mehr Geld, mehr Erfolg, mehr von allem. Ich bin so ein Mensch. Und du womöglich auch.

 

Zurück zum Start. Immer mehr Menschen fühlen sich von der fortschreitenden Technologisierung überfordert. Insbesondere ältere Personen. Sie wünschen sich “die gute alte Zeit” zurück, die so viel einfacher strukturiert war. Andere stecken im Gestern fest, weil Sie Ereignisse aus der Vergangenheit einfach nicht überwinden können.

 

Und dann gibt es die Personen, die ihr Leben in der Gegenwart leben. Ihnen gegenüber empfand ich stets Neid und Mitleid. Neid, weil ich auch gerne jeden Augenblick genießen wollte. Mitleid, weil ich mir nur zu gut ausmalen konnte, wo dieses sorglose Leben mittel- und langfristig hinführen würde. Nicht nur in finanziellen Belangen.

 

Genuss kann ich mir nicht leisten

Und dann gibt es noch Menschen, wie mich. Oder sollte ich besser sagen, wie uns? Mit einem Augenzwinkern könnte man ja allen interessierten Leserinnen und Lesern eines Finanzblogs folgendes unterstellen: Wir haben unseren Fokus stark auf die Zukunft ausgerichtet.

 

Das ist nicht ganz unproblematisch. Denn wer ständig im Morgen und Übermorgen lebt, neigt gerne dazu, die Gegenwart zu vernachlässigen. Wer immer daran denkt, was wohl als Nächstes kommt, kann das Leben nur in Ausnahmefällen in vollen Zügen genießen.  

 

Ein Beispiel: Seit ich denken kann, faszinieren mich Finanzen. Und seit mir Geld zur Verfügung steht, trieb mich die längste Zeit eine zentrale Frage an. Wie kann ich das Beste aus meinem Geld herausholen? Eine sehr zukunftsgerichtete Frage, die man auch kürzer stellen könnte. Nämlich: 

 

Was mache ich mit meinem Geld?

 

Um sie beantworten zu können, habe ich eine zweite Frage hinzugefügt.

 

Was macht mein Geld mit mir?

 

Meine persönlichen Antworten haben mir dann dabei geholfen, meine “Finanz-Neurosen” zu überwinden. Aber: Meiner Besessenheit von der Zukunft tat dies keinen Abbruch.

 

Das ewige Dann

Grundsätzlich ist nichts falsch daran, die Zukunft fest zu fokussieren. Wenn das aber dazu führt, die Gegenwart aus dem Blick zu verlieren, hat man ein Problem. 

Denn es führt dazu, dass man Augenblicke auch dann nicht richtig genießen kann, wenn man etwas für sich persönlich Großartiges erreicht hat. Trifft so ein Fall ein, tut man gut daran, die Sinnfrage zu stellen. Ich will erklären, was ich konkret damit meine.

Als zukunftsorientierte Person definiert man sich gerne über das Erreichen der eigenen Ziele. Doch was im Erfolgsfall eintritt, ist in der Regel nicht etwa die große Zufriedenheit, sondern vielmehr “das ewige Dann”. 

 

Wenn ich erst einmal so und so viel Geld habe, dann fühle ich mich sicher. 

 

Ja, es ist wahr. Wer umsichtig mit seinem Geld umgeht, wird seine Vermögenssituation mittel- und langfristig in aller Regel verbessern. Fühlt man sich als zukunftsorientierter Mensch dadurch aber finanziell stets sicherer als fünf oder zehn Jahre zuvor? Leider nein. Denn die Denkweise “des ewigen Dann” entpuppt sich als Fata Morgana. Und das ist nur zu logisch.

Wer nämlich ständig seiner Zukunft hinterherjagt, wird diese Zukunft niemals erreichen. Jedesmal wenn sie endlich da ist, schiebt man sie wieder in die Ferne. Ein Dilemma, wie prominente Beispiele zeigen.

 

Genug? Bald…

John D. Rockefeller, der erste Milliardär, den die Welt jemals gesehen hat, wurde als damals reichster Mann auf dem Planeten eine Frage gestellt, die in die Geschichte einging:

 

Wie viel Geld ist genug?

 

Seine Antwort ist legendär:

 

Nur ein kleines bisschen mehr.

 

Und genau hier drängt sich eine Frage auf: Nämlich, wie viel ist denn tatsächlich genug, um sich finanziell sicher zu fühlen? Ich wünschte, ich hätte eine präzise Antwort für jeden. Doch eine allgemeingültige Lösung des Problems ist nicht wirklich in Sicht

Zumindest wenn es nach NYU-Professor Scott Galloway geht, der laut eigenen Angaben ein immerhin neunstelliges Vermögen (also mehr als 100 Millionen US-Dollar) angehäuft hat. Er sagt in einem Podcast bei 20:19 Minuten. 

 

https://www.youtube.com/watch?v=cxQ4agvOvTI

 

I passed 9 figures a long time ago. And by any objective measure I am financially secure. And I have huge financial anxiety. It’s just something that’s hardwired into me. 

 

Frei übersetzt: 

Ich habe schon vor langer Zeit eine 9-stelliges Vermögen erreicht. Und nach jeglichem objektiven Maßstab bin ich finanziell abgesichert. Und dennoch habe ich enorme finanzielle Ängste. Das ist einfach etwas, das tief in mir verankert ist.

 

Diese Zeilen belegen, dass das Gefühl finanzieller Sicherheit etwas sehr Individuelles ist. Man kommt ins Grübeln und fragt sich: Wenn selbst (mehr als) 100 Millionen Dollar nicht für jeden ausreichen, um die eigenen finanziellen Ängste zu lösen, was reicht dann?

 

Objektivität? Nur Schall und Rauch

Für Menschen, die auf Zahlen, Daten und Fakten vertrauen, könnte eine objektive Bestandsaufnahme der richtige Ansatz sein. Etwa, dass man sich dann finanziell sicher fühlen sollte, wenn man zu den Top 10 Prozent der wohlhabendsten Menschen weltweit zählt. Dazu braucht es gut 100.000 Euro Nettovermögen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht automatisch dazu führt, seine finanziellen Ängste gänzlich zu überwinden. Denn absoluter Reichtum (eine fixe Zahl) ist ein theoretisches Konstrukt. In der Praxis leben wir in einer Welt, die auf relativem Reichtum basiert. 

In der Lebensrealität der meisten lauten die (vermeintlich) entscheidenden Fragen vielmehr: Habe ich mehr als meine Nachbarn? Verdiene ich mehr als meine Kollegen? Und selbst wenn die Antworten in beiden Fällen JA lauten: In Zeiten von Social Media fühlt man sich doch ständig “relativ” arm, krank, schwach oder untalentiert.

Was sollte man also tun? Man kann sich seinen Gedanken ja nicht völlig entziehen. Abgesehen davon, seinen Social Media Konsum einzuschränken, könnte man folgendes versuchen: 

 

Und zwar weniger an die Zukunft zu denken. Dort liegt nämlich die Wurzel aller finanziellen Ängste

 

Durchaus logisch, denn die Zukunft ist von Natur aus ungewiss. Heißt: Auch mein zukünftiges Vermögen ist ungewiss. Eine Schlussfolgerung, die sich auf viele andere Bereiche des eigenen Lebens anwenden lässt (Gesundheit, Karriere etc.). Und man sollte daran arbeiten, dies zu akzeptieren.

 

Dankbarkeit zeigen

Die Herausforderung lautet: Statt “im ewigen Dann” zu leben, muss man lernen, seinen Blick auf etwas anderes zu fokussieren. Nämlich die Gegenwart stärker zu genießen und damit aufzuhören, den absolut idealen Lebensweg zu planen. Diesen kann man aus einem wichtigen Grund sowieso nicht beschreiten. 

 

Das Leben ist nämlich voller Überraschungen. Und das ist auch gut so.

 

Die Gegenwart stärker zu genießen, klingt leichter als es in der Praxis ist. Es hilft jedoch schon, wenn man einfach folgende Tatsache akzeptiert: Irgendwann muss man anerkennen, dass “das ideale Leben” nicht ausschließlich in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft existiert. Es spielt sich dazwischen ab

 

Wenn man die Vergangenheit zu schätzen lernt, in der Gegenwart lebt und für die Zukunft plant: Was will man dann noch mehr vom Leben?

 

Wenn es um die eigenen Finanzen geht, bedeutet das: Manchmal lohnt es sich, dankbar zu sein für den Wohlstand, den man sich bereits geschaffen hat.

Danach kann man sich Gedanken darüber machen, wie viel (Geld) für einen selbst ausreichend ist. Nur weil John D. Rockefeller sein Genug niemals gefunden hat, heißt das nicht, dass das auch bei dir so sein muss.

 

Zum Abschluss noch eine Buchempfehlung. Wer sich intensiver mit dem sehr individuellen Thema der Angst beschäftigen will, ist bei Fritz Riemann und seinem Klassiker Grundformen der Angst bestens aufgehoben. Es lohnt sich, dieses Buch mehrfach zu lesen. Es hilft dabei, sich selbst besser kennenzulernen.

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