2021 war ein gutes Jahr für Bitcoin. 2021 war ein gutes Jahr für NFTs. 2021 war ein gutes Jahr für Kryptobörsen. 2022 ist anders. Es ist kein gutes Jahr. Der Bitcoinpreis ist seit seinem Hoch im November 2021 um über drei Viertel gefallen. Bei den allermeisten NFTs sieht es noch viel schlimmer aus. Und die Kryptobörse FTX ist Pleite. So ganz unerwartet kommt das alles nicht.
Die ersten Warnsignale waren früh zu erkennen. Auch in meinem Freundeskreis wurden Personen im Jahr 2021 durch Krypto-Trading zu Millionären. Wer sich im Internet bewegte, traf auf Hundertschaften sogenannter Krypto-Millionäre, die ihre normalen Jobs an den Nagel hingen.
Am 7. November 2021 war dann sogar zu lesen, dass 4 Prozent der Amerikaner ihre (meist schlecht bezahlten) Jobs gekündigt haben. Der Grund: Sie hatten es nicht mehr nötig. Dank der hohen Kryptogewinne.
Selbstzweifel
Die Zeiten waren außergewöhnlich. Im Spätherbst 2021 stellten sich entsprechend viele Menschen ganz ähnliche Fragen, wie Nick Maggiulli es tat. Maggiulli ist ein Finanz-Blogger aus den USA, den ich sehr schätze. Er war auch der Urheber der Daten für meinen Blog-Artikel zur Frage: Buy the fucking dip! No-Brainer oder fataler Fehler?
Er schreibt in seinem neuesten Blogpost nun folgendes (frei übersetzt):
Ich will ehrlich sein. Mit jeder Story über Menschen, die innerhalb kürzester Zeit mit Krypto reich wurden, war ich ein bisschen mehr geschockt. Wie zur Hölle konnte es sein, dass diese Menschen so viel Geld hatten? In der Highschool war ich Einserschüler. Ich besuchte ein großartiges College und hatte einen ebenso großartigen Job. Ich sparte und investierte eifrig. Und dennoch war ich nicht einmal in der Nähe davon Millionär zu sein. Was machte ich falsch?
Das ist natürlich eine mehr als berechtigte Frage. Und wenn man sie sich lange genug stellt, findet man irgendwann die scheinbar logische Antwort.
Das ist der Grund, oder?
Nach vielem Nachdenken kam auch Maggiulli zur Erklärung dieser vermeintlich unlogischen Umstände:
Ich war einfach nicht aufmerksam genug. Ich habe einfach nicht mitbekommen, was im Kryptobereich und bei Tech-Aktien gerade wirklich passierte. Die anderen hatten es jedoch erkannt. Sie erkannten (und profitieren) von den vielen neuen Möglichkeiten. Ich hingegen schrieb immer mehr Blogposts über den Aktienmarkt. Genau das war mein Problem.
Ausgestattet mit dieser selbstkritischen Erkenntnis kaufte Maggiulli daraufhin Altcoins und ein paar Tech-Aktien (wichtiger Hinweis: im Umfang von 2 Prozent seines Nettovermögens, also zum Glück in vernachlässigbarer Höhe).
Aber zurück zu Maggiulli. Und zu seiner Gefühlslage unmittelbar bevor er sich dazu entschloss, jetzt auch am Kryptomarkt zuzuschlagen. Er selbst verweist dabei auf ein berühmtes Zitat von Warren Buffett:
Die Leute interessieren sich für Dinge, weil ihre Preise steigen und nicht etwa weil sie diese Dinge verstehen. Bloß: Der Nachbar, von dem sie wissen, dass er dümmer ist, als sie selbst, wird reich. Und sie werden es nicht.
Und genau dieses unangenehme Gefühl lässt einen dumme Dinge tun. Apropos dumm: Wer die Kursentwicklungen der letzten zwölf Monate bei Altcoins und Tech-Aktien gerade nicht mehr im Kopf hat – es ging rund 80 Prozent abwärts. Dumm gelaufen.
Die Zeichen erkennen
Wenn man sieht, dass genau jene Menschen sehr viel Geld machen, die normalerweise nicht sehr viel Geld machen würden, dann ist das ein Warnsignal.
Wenn 29-Jährige plötzlich 26 Milliarden US-Dollar schwer sind und Stadien umbenennen, sollte man vorsichtig werden.
Und wenn Menschen aus der Arbeitslosigkeit innerhalb weniger Monate direkt in den Ruhestand gehen können, sollte man hellhörig werden.
Wenn zu viele Menschen plötzlich zu viel Glück haben, sollte man dies als Wakeup-Call verstehen. Spätestens jetzt sollte man realisieren: Die guten Nachrichten werden nicht für immer andauern. Und das taten sie auch nicht.
Wohlstand vergeht
Wenn man die aktuelle Situation nüchtern betrachtet, fällt es einem gar nicht mehr schwer zu glauben, dass folgende Zahlen wirklich Tatsachen entsprechen. Rund 70 Prozent wohlhabender Familien verlieren ihr Vermögen in der zweiten Generation. In der dritten Generation sind es dann 90 Prozent. Der Grund: Die zukünftigen Generationen wissen weder, wie man Vermögen bildet, noch wie man es behält. Deshalb verschwenden sie es.
Ähnlich – nur in viel kürzerer Zeit – spielt es sich in Zeiten des finanziellen Exzesses ab. Jene, die über Nachricht zu Reichtum kamen, wissen nicht, wie ihr Vermögen tatsächlich zustande kam (nämlich durch eine Blase). Sie machen also die gleichen Dinge, die sie ursprünglich reich gemacht haben, um noch reicher zu werden.
Doch wenn die Blase platzt, dann führt genau jenes Verhalten, das sie zuvor reich gemacht hat, direkt in den Ruin. Was sie reich gemacht hat, macht sie jetzt arm.
Schnell reich werden
Das Problem jedes “Wie-werde-ich-schnell-reich-Konzepts” ist der Glaube daran, dass es einen einfacheren Weg gibt, reich zu werden. Dass es eine Abkürzung gibt. Doch die gibt es nicht.
Es gibt keine Geheimnisse, wenn es darum geht, Vermögen aufzubauen.
Wenn es sie gäbe, dann wären wir alle doch längst reich.
Oder anders gedacht: Wenn es für durchschnittliche Selfmade-Millionäre ganze 32 Jahre dauert, um ihr Vermögen aufzubauen. Wie kommst du dann auf die Idee, dass es dich nur ein einziges Jahr kosten wird? Das macht nicht wirklich Sinn, oder?
Und dennoch: Die Menschen werden weiterhin glauben, dass es einen einfacheren Weg gibt. Dass man große Ergebnisse mit kleinem Aufwand erzielen kann. Nick Maggiulli hat dies auf die harte Tour lernen müssen. Du hoffentlich nicht.
Das Gefühl des Neids kann ich auf jeden Fall nachvollziehen. Ich tröste mich dann meist damit, dass die allermeisten der Kryptomillionäre aus dem Jahr 2021 heute wieder weit weg sind von der Million, weil sie eben nicht wusste, wann es genug gewesen wäre. Durch Zufall reich werden kann funktionieren, wenn man das ernst nimmt und daher den Ausstieg schafft. Aber es möchte ja fast niemand zugeben, dass es Zufall war, sondern Können und so verschwindet das Geld auch schnell wieder.
Viele Grüße
Jenni